Virus Days

F O T O S

Jan_Federer,

P A I N T

Lucas_Jankoschek

I N T R O

Robert_Sartori

Pandemie, Epidemie, Verschwörungstheorie, gut gemeinte Ratschläge oder Polizeistaat. Medizinischer Ausnahmezustand, vielleicht doch nur mediale Hysterie? Rezession, rote Zahlen, Arbeitslosigkeit, COVID-19 wirkt sich nicht nur auf die Umfragewerte von Politiker/innen aus, sondern auch auf unsere soziale Wahrnehmung und unsere Umgebung.

Welche erwähnenswerte Korrelation gibt es allerdings zwischen der internationalen Krise und Skateboardern? Die Antwort fällt relativ simpel aus, denn während die Normalbevölkerung bei den ersten Meldungen des „Lockdowns“ präventiv Alu-Hüte formte und zähneknirschend die Börsen Nachrichten studierte, visualisierten sich vorerst diverse leere staatliche und private Liegenschaften in den Gehirnen 85% aller Skateboarder/innen. Das liegt vor allem an der Tatsache, dass so manche begehrenswerte Spots im Normalzustand besser bewacht werden als die Sporttaschen von HC Strache, oder einfach nur voll mit Touristen sind. Politische Eliten betiteln die gegenwärtige Krise als „Neue Normalität“, die uns kurzzeitig die Möglichkeit gibt, ungestört neue Habitate zu erkunden. Kurzarbeit bzw Arbeitslosigkeit zählten während der COVID-19 Maßnahmen definitiv nicht zu den Problemen von Doktor Fuchs. Ärzte, so hörte man es über die Medien, waren in der Zeit eher Opfer gnadenloser Überstunden. Dennoch war er beinahe auf jeder Skatesession dabei und war sich auch für Solo Missionen nicht zu schade. Mehrere Gründe also, den Sichtweisen und Erfahrungen unseres Doktor Fuchs besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Wie hoch stehen die Chancen, dass du den Virus auch ohne auftretende Symptome in dir hattest? Ihr hattet ja ein paar positive COVID-19 Fälle in eurem Krankenhaus, oder?

Wissen tu ich es nicht, aber ich halte es aufgrund der geringen Fallzahlen in meinem Krankenhaus für ziemlich unwahrscheinlich. Zudem bin ich unlängst negativ coronaabgestrichen worden – ein eher wenig empfehlenswertes Vergnügen, wo sie dir so weit mit dem Wattestaberl in die Nase fahren, dass man beim Abstrich vermutlich gleich den IQ mitablesen kann.

Die große Angst war u.a., dass unser Gesundheitssystem bei zu vielen gleichzeitigen Ansteckungen überlastet wird. Hast du miterlebt, dass es eng werden könnte?

Nein, davon war keine Spur. Wobei die Stimmung im Krankenhaus gerade am Anfang eine komische war. Nachdem jeder die Bilder aus der Lombardei gesehen hat, und keiner so recht sagen konnte, wie‘s bei uns wird, und sich – auch wenn’s in der Zeit im Bild immer so ausgeschaut hat, als wäre alles bestens organisiert – hint‘ und vorn‘ keiner auskannte und jeden zweiten Tag alles anders war. Aber ehrlich gesagt war es bei uns im Krankenhaus g‘miatlicher denn je. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich Kinderarzt bin und Kinder nicht schwer krank werden. Aber nachdem die Leute, die sonst wegen jedem Schmarrn ins Krankenhaus rennen, zuhause waren, und die Unmengen an Coronapatienten ausgeblieben sind, war es eine ungewöhlich ruhige Zeit und ich hab in den Nachtdiensten so viel geschlafen wie überhaupt noch nie. 

Thema social distancing. Der Virus hat uns eine Zeit lang ganz schön auseinandergerissen. Wie sehr ist dir der Crew Hype abgegangen?

Ich glaube, das soziale Leben ist eh allen abgegangen. Wobei ich in einer vergleichsweise privilegierten Position war: Ich bin ganz normal arbeiten gegangen, während andere Leute zum Teil gar keine Hockn mehr haben. Ich hab es mir mit meiner Freundin daheim gemütlich machen können, während meine alleinstehende 90-jährige Oma für zwei Monate mehr oder weniger niemanden gesehen hat. Und eine gewisse Zeit lang war alleine skaten gehen auch ganz lustig. Aber ehrlich gesagt hat sich die Gaudi beim alleine Skaten recht schnell erschöpft und ich bin g’scheit froh, dass wir wieder gemeinsam skaten, abhängen und auf ein bis zehn Bier gehen können. 

Ein Lichtblick in der tristen Zeit war auf jeden Fall dein Insta Profil. Du hast gezeigt, dass man auch beim alleine Skaten nicht auf fette Drops verzichten muss. Haben die online Props ein wenig deinen „attention hunger“ stillen können?

Keine Ahnung… Im Endeffekt waren die Skateparks zu und ich war trotzdem jeden Tag skaten. Da findet man zum Teil auch Spots, wo man was probieren will. Und da hab ich mir gedacht, wenn ich mich da jetzt schon runterhau oder weiß der Geier, dann kann ich es auch filmen. Im Selfiemodus halt, mit Selbstauslöser. Eigentlich ziemlich belämmert. Ich hab dann überlegt, ob ich die Footage zu einem kurzen Video zusammenschneide, was mir dann aber doch zu blöd war. Ein Video von mir selbst, mit lauter schwindligem Schas, den ich mit meinem uralten Handy gefilmt hab. Naja, und nachdem alle und jeder diesen Instagram-Schas haben und mir fad war, hab ich mir halt einen Account zugelegt. Aber so spannend wie ich geglaubt habe, dass es sein muss, wenn da die Leut‘ mehr oder weniger ununterbrochen reinschauen, ist es aber schon überhaupt nicht. Seit der sogenannte Lockdown vorbei ist, interessiert‘s mich ehrlich gesagt nur mehr so lala. 

Es gibt ja gefühlt eine Million Meinungen, wie lang wir uns noch mit dem Virus plagen müssen. Wie sieht deine Prognose aus?

Keine Ahnung. Schaut ganz gut aus derzeit, und das bleibt hoffentlich so. 

Wie beurteilst du den Umgang mit der Situation bei uns? Waren die zahlreichen Gesetze/Einschränkungen gerechtfertigt und rechtzeitig umgesetzt?

Ui, jetzt wird’s politisch. Ich denke, dass die Auswirkungen von Corona und der dadurch begründeten Entscheidungen, die uns zum Teil noch sehr lange betreffen werden, noch nicht zur Gänze absehbar sind und dass es noch viele Untersuchungen geben wird, die die Tragweite der Konsequenzen im Positiven wie im Negativen evaluieren werden, bevor man genau sagen kann, was gerechtfertigt, was überzogen und was unzureichend war. Klar ist auch, dass die ganze Coronasituation für jeden Entscheidungsträger eine undankbare G’schicht ist. Vor allem, wenn man als solcher auf die eigene Popularität besonnen ist. Und so richtig ausgekannt hat sich sowieso keiner. Aber wichtig finde ich einerseits, dass, wenn es Regeln gibt, diese erstens eine fachlich stimmige Grundlage brauchen, deren Durchsetzung ein Mindestmaß an sozialer Wärme sowie Taktgefühl nicht vermissen lassen darf, und derartige Regeln natürlich auch für alle gleichermaßen gelten. Außerdem sollte die Kommunikation eine klare und ehrlich sein. Beziehungsweise, um ein altes Ingeborg-Bachmann-Zitat zu bedienen: „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar“. Aber falls du darauf abzielst: Ich bin als Skater natürlich auch genug von der Kibarei herumgeschickt – um nicht zu sagen sekkiert worden. Ich habe zum Teil den Sinn dahinter nicht verstanden und es ist mir gebührend am Oasch gegangen. 

Hast du der letzten Zeit auch etwas Positives abgewinnen können? 

Naja, ich glaube, so wie die meisten Leute weiß ich manche Dinge, die oft schon sehr selbstverständlich wirken, aber es nicht sind, wieder mehr zu schätzen. Jeder hat mitgekriegt, wie schnell es mit der Freiheit und der wirtschaftlichen Sicherheit, oder leider teilweise auch mit der G’sundheit vorbei sein kann. Das darf man sich ruhig immer wieder vor Augen führen.

Jeder hat mitgekriegt, wie schnell es mit der Freiheit und der wirtschaftlichen Sicherheit, oder leider teilweise auch mit der G’sundheit vorbei sein kann. Das darf man sich ruhig immer wieder vor Augen führen.

Anmerkung der Redaktion:

Thomas Fuchs möchte an dieser Stelle festhalten, dass das untenstehende Interview kurz nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 durchgeführt wurde, und die mittlerweile zum Teil sehr gravierende Situation in den Spitälern -aufgrund der damals wesentlich geringeren Zahl an schwerwiegenden Krankheitsverläufen bzw. Erkrankungen allgemein- in diesem Interview nicht so dargestellt wird. 

Würde in dem Interview der momentane Stand der Dinge (mit Anfang Dezember 2020) wiedergegeben werden, so würde das Bild der Situation in den Krankenhäusern leider ein wesentlich weniger optimistisches sein.