The Curse with the Course – Robert Sartori
T E X T
Robert_Sartori
P A I N T
Christopher_Binder
Donnerstag Abend. Die Deadline rückt schleichend näher und ich starre, mit vor Grauen geweiteten Augen, auf das trauriges Fabrikat, welches meine Gehirnzellen in den letzten Stunden zustande gebracht haben. Ich kann das Gefühl einer nervösen Rastlosigkeit nicht mehr abschütteln und beginne mich zu fragen, ob meine temporäre Schreibblockade das Produkt himmelschreiender Inkompetenz ist. Wie kann ich etwas über Skateboardkurse schreiben, ohne meinen Freundeskreis empfindlich zu dezimieren? Andererseits ist noch nie etwas Gutes von glücklichen Menschen geschrieben worden. Glücklichen Menschen fehlt der notwendige abstrakte Zynismus. Es ist weitaus besser, sich an jeden noch so zerbrechlichen Ast Positiven in einem wogenden Sog aus Negativität zu klammern. Und während ich über Skateboardkurse nachdenke, läuft im Hintergrund N.I.B von Black Sabbath und ich stelle erstaunt fest, dass es das einzige Liebeslied ist, zu dem ich eine wahre emotionale Bindung habe.
„Follow me now and you will not regret, leaving the life you led, before we met“…(Black Sabbath, N.I.B, 1970)
Der Skateboardkurs, ein viel diskutiertes Thema mit hohem Konfliktpotential. Bewahrt er unseren zerbrechlichen Mikrokosmos vor dem schleichenden Zerfall, oder ist er die Manifestation neumodischer Sittenwidrigkeit. Die Komplexität der Diskussion ergibt sich aus kollidierenden Weltansichten, die keine Kompromisslösung zulassen. Die Skateboardszene unterliegt prinzipiell einem stetigen Wandel. Das Interesse an der Randkultur steigt und sinkt in unvorhersehbaren wellenartigen Rhythmen, deren Ursprung jeglicher Logik entbehrt. Konstant bleibt der harte Kern, resistent, aber nicht unbeeindruckt von gewissen Entwicklungen. SkateboarderInnen die seit Jahren bzw. Jahrzehnten dieser raren Spezies angehören teilen eine emotionale Bindung zu Tätigkeit und Kultur.
„You are the first to have this love of mine, forever with me til the end of time“…(Black Sabbath, N.I.B, 1970)
Mittlerweile ist es spät und ich sollte mich Dingen widmen, die Erwachsene an einem normalen Donnerstagabend eben tun, wie schlafen oder Tinder Matches antworten. Mich beschäftigen allerdings dringende Fragen und die einzige Möglichkeit sie zu lösen scheint, ein stundenlanger geistiger Monolog zu sein. Es ist klar, Skateboarden hat einen völlig anderen Stellenwert in der Gesellschaft als vor zwanzig Jahren, aber warum schicken Eltern ihre Kinder in einen Skateboardkurs? Von allen Dingen? Es entzieht sich vollends meiner Vorstellungskraft, dass ein halbwegs zivilisiertes Elternteil mit dem Nachwuchs „Baker 3“ ansieht und dann sagt; „Das ist ja eine sportliche und koordinative Höchstleistung, sowas musst du auch lernen“. Aber was sehen sie dann? Prod mit Zigarre im Pool? Mark Frölichs Enzyklopädie der sinnlosesten Videoparts? Nyjah Hustons Fuhrpark?
„Your love for me has just got to be real, before you know the way im going to feel“…(Black Sabbath, N.I.B, 1970)
“Wie kann ich etwas über Skateboardkurse schreiben, ohne meinen Freundeskreis empfindlich zu dezimieren? Andererseits ist noch nie etwas Gutes von glücklichen Menschen geschrieben worden. Glücklichen Menschen fehlt der notwendige abstrakte Zynismus.”
Es gibt sicherlich genügend Kinder die aus Eigenmotivation einen Kurs besuchen wollen und daraus eine Leidenschaft entwickeln, die sie selbständig agieren lässt. Skateboarden ist nun mal nach wie vor kein Sport im herkömmlichen Sinne, dafür fließt zu viel Persönlichkeit in die Tätigkeit, dafür gibt es zu viele extreme Charaktere, die die Szene am Leben erhalten. Die sportliche Leistung ist nebensächlich, nicht messbar, sie sagt absolut nichts über den Stellenwert eines/r Skateboarders/In in der Szene aus. Vielleicht begründet sich die ablehnende Haltung eines großen Teils der SkateboarderInnen gegenüber der Teilnahme an Kursen eben aus der Tatsache, dass jeglicher Versuch der Koordination dem Grundkonzept von Skateboardfahren widerspricht.
„Now I have you with me, under my power, our love grows stronger now with every hour“…(Black Sabbath, N.I.B, 1970)
Kurz nach Mitternacht und ich befinde mich in einem Stadium der geistigen Resignation. Ich kann die Leere zwischen den Zeilen sehen, es fehlen verbindende Elemente. Keine Aussicht auf Besserung. Das Wort „früher“ ist mir dermaßen zuwider, dass ein kalter Schauer über meinen Rücken läuft, doch die Synonyme sind auch keine ernst zu nehmende Option. Daher… Früher war es absolut undenkbar, dass die Idylle einer Samstagnachmittag Session von einem Mob vor-pubertierender Fahrradhelm TrägerInnen mit einer Entourage aus TrainerInnen und keifender Elternteile gestört wird. Erwähnte Elternteile kommen allerdings nicht alleine, sie sind bewaffnet mit Smartphones, um jeglichen, auch noch so kläglichen Versuch ihres gänzlich untalentierten Sprösslings… Ruhe bewahren, nicht in Rage schreiben, den rettenden Ast Positivität umklammern. Ich bin der festen Überzeugung, dass mindestens einer/e von vierzig KursteilnehmerInnen später ein fixer Bestandteil unserer blühenden Szene wird.
„I will give you those things you thought unreal, the sun, the moon, the stars all bear my seal“…(Black Sabbath, N.I.B, 1970)
“Erwähnte Elternteile kommen allerdings nicht alleine, sie sind bewaffnet mit Smartphones, um jeglichen, auch noch so kläglichen Versuch ihres gänzlich untalentierten Sprösslings… Ruhe bewahren, nicht in Rage schreiben, den rettenden Ast Positivität umklammern.”
Grundsätzlich machen Vereine wie der Skateboard Club Vienna eine großartige Arbeit, wenn es darum geht, Kindern und Jugendlichen Skateboard fahren näher zu bringen. Alle TrainerInnen des Vereins sind echte SkateboarderInnen, die Skateboarden und die Kultur lieben und mit viel Herzblut bei der Sache sind. Außerdem sind die MitgliederInnen stets bemüht ihre Kurse in wenig frequentierten Parks, oder zu Uhrzeiten abzuhalten, in denen sie niemanden stören. Wer CEO Antonio Aiello kennt, weiß, dass er das Herz am richtigen Fleck hat und die Szene konstruktiv vorantreiben will.
„Look into my eyes, you will see who I am“…(Black Sabbath, N.I.B, 1970)
Die letzen Bemühungen dem ganzen Text ein gewisses Maß an professioneller Sinnhaftigkeit zu verleihen. Zäh fließende Stunden der Unklarheit. Was ist das Resümee? Ich denke solange Leute wie Ante die Sache fest im Griff haben, kann man diese ganze Thematik mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen ins Nirvana verbannen. Ich denke aber auch, dass das eigentlich gar nicht meine Art ist und ich mich in der verbleibende Zeit bis zur endgültigen Deadline über nicht existente Probleme echauffieren sollte. Aufgrund schwindender Motivation wird die altbewährte Hasspredigt allerdings auf die nächste ABD Ausgabe verschoben.
Für alle KursteilnehmerInnen: Heute lernen wir den Drop In, ich bin euer Trainer, „My name is Lucifer, please take my hand“…(Black Sabbath, N.I.B, 1970)