Sebi Weissinger
F O T O S,
Jan_Federer, Sebi_Weissinger (black/white)
I N T R O,
Benni_Berger
I N T E R V I E W,
Nikola_Hergovich
Umsichtig, unaufgeregt und ein wenig perfektionistisch. Diese Adjektive kamen mir bei Sebi ohne lange nachzudenken in den Sinn. Umsichtig, weil es so wirkt, als passiere bei ihm kaum etwas zufällig. Alles scheint auf irgendeine Weise einem Plan oder Konzept zu folgen. Umsichtig auch deshalb, weil er auf sein Umfeld bedacht ist, Rücksicht nimmt, seinem Gegenüber zugewandt ist. Unaufgeregt, verwundert mich bei näherem Nachdenken dann doch etwas. Der Wiener Grant liegt Sebi nicht allzu fern. Die Assoziation ist vermutlich eher seiner stoischen Grundhaltung dem Leben als großes Ganzes gegenüber geschuldet und weniger dem Umstand, dass er sich dennoch einen Abend lang über einen angestoßenen Zeh ärgern kann. Perfektionistisch, weil ich ihn nicht selten dabei beobachten durfte, wie er stundenlang an seinem Set-Up schraubt, schleift und Kugellager in mir bis heute unbekannte Flüssigkeiten einlegt. Mit ziemlicher Sicherheit fiel mir das Wort auch deshalb ein, da sein Skaten ganz einfach nahezu perfekt aussieht. Kurzum: Sebi ist ein geiler Typ. Viel Spaß mit dem Interview!
Sebi, du bist gefühlt ein „echter Wiener“. Die wenigsten Leute wissen wahrscheinlich, dass du ursprünglich im Burgenland aufgewachsen bist. Fangen wir ganz am Anfang an. Wie bist du zum Skaten gekommen und wie war es, seine Teenagerjahre in Eisenstadt zu verbringen?
Das stimmt vielleicht. Jetzt bin ich aber auch schon gut 15 Jahre in Wien. Und ich war auch nie einer, der zum Beispiel am Wochenende aufs Land „nach Hause“ gefahren ist, sondern war gleich von Anfang an in Wien daheim. In Eisenstadt aufzuwachsen war bis zu einem gewissen Alter schon in Ordnung. Vermutlich so wie in jeder anderen Kleinstadt. Ich finde schon, dass ich eine schöne Kindheit gehabt habe. Wir haben in einer Siedlung am Stadtrand gewohnt, zwischen Wald und Weingärten. Da waren auch lauter andere Jungfamilien, viele Kinder in meinem Alter. Aber wenn man sich als Jugendlicher für was anderes als Fußball und Dorffeste interessiert, sind die Möglichkeiten am Land halt begrenzt. Beim Skaten war das zumindest der Fall und ich bin eigentlich bei der ersten Gelegenheit, kurz vor der Matura zu meiner damaligen Freundin nach Wien gezogen. Zu skaten hab ich irgendwann 1999/2000 begonnen. Ganz klassisch zuerst mit einem Crazy-Creek-Brett vom Zink (Intersport) und dann hab ich zum zwölften Geburtstag mein erstes Setup vom Titus bekommen. Damals gab ́s auch so einen Skateboom wie jetzt gerade. Alle in der Klasse und meiner Siedlung hatten ein Skateboard. In der Siedlung hatten wir unseren eingewachsten Randstein und einen Radständer, den man als Flatrail und Wallie fahren hat können. Eisenstadt hatte zu der Zeit schon einen ganz guten Skatepark, weil es davor schon zwei „Generationen“ von Skatern in Eisenstadt gegeben hat.
Mit wem warst du damals unterwegs? Wer war deine Crew? Gab es Shops? Und wie hat man vor der Internet-Ära im Burgenland mitbekommen, was sich in der Skateszene so tut?
Also zuerst eben mit den anderen aus meiner Klasse und der Siedlung. Zwei, drei Jahre später war der Boom wieder vorbei und ich war der Letzte, der noch geskatet ist. Aber ein paar etwas Ältere, die schon länger geskatet sind, waren noch da. So wie du (Reini) und der Flo (Hajdusich) und ein paar bisserl Jüngere wie die Bergers, Siess, Stiefl. Also eher dein Jahrgang, Niki. Und das war dann die ICRC (Iron City Rollbrett Crew). Später sind dann noch die Jankoscheks, der Maxi (Kostenwein) und ein paar andere dazugekommen. Wie ich angefangen hab zu skaten, hat es noch den Yukon in Eisenstadt gegeben, aber der hat bald zugesperrt. Eigentlich haben wir hauptsächlich bei Titus bestellt und Vans in Parndorf gekauft. Ich weiß jetzt nicht mehr, wie lang es gedauert hat, aber etwas später hat genau vís-a-vís vom ehemaligen Yukon der Sublime aufgesperrt und das war mein erster „Local Shop“. Der war im Nachhinein betrachtet auch richtig leiwand. Irgendwie war das fast so eine Art Outlet vom Bruckner (IRN Distribution), wo dann 100 Shirts von Marken, die es schon Jahre nicht mehr gegeben hat, gehangen sind. Aber auch jede Menge Boards von Anti-Hero, Real und Krooked, und ein paar Videos. Auch jede Menge Thrasher- und Slap-Hefte. Der Wultsch am Domplatz hat auch eine gute Auswahl an Skatemags gehabt. Also Transworld, Monster Skatemag, Boardstein und auch die österreichischen wie Avenue und Yeyo. Da hab ich über Jahre jedes einzelne Heft gekauft. Und mit den Ami-Heften Englisch gelernt. Haha. Aber zum Sublime noch: Wir sind jeden Tag nach der Schule ewig im Shop abgehangen, haben jedes Board tausendmal inspiziert. Dominik, der Shopkeeper, ist den ganzen Tag nur gesessen und hat gelesen, weil eh keine Kunden gekommen sind. Er war auch der erste, der mir Stuff günstiger gegeben und mich nach Wien mitgenommen hat. Als der Sublime zugesperrte, hat er mir den Kontakt vom Markus (Ostermann) gegeben. Somit konnte ich bei ihm im Vertrieb billig Decay- Bretter und anderen Stuff kaufen. Dafür bin ich beiden nach wie vor sehr dankbar.
Als ich dich das erste Mal im Eisenstädter Skatepark sah, hattest du lange Haare, hautenge Hosen, ein The Doors T-Shirt, Lederjacke und Vans Dr. T Hi Tops an. Ziemlich konträr zu deinem heutigen Erscheinungsbild. Fandest du damals andere Videos/Skater leiwand im Vergleich zu heute? Was ist dein Alltime Favourite Skate Video, Skatepart und Soundtrack?
Konträr hauptsächlich in Bezug auf meine Frisur, oder? Mir hat einfach die Musik und der Style so getaugt. Also einerseits die Ramones und Bands davor wie New York Dolls oder Television, Stooges. Und vom Skaten her eben Tony Trujillo, Corey Duffel und so. Eines meiner ersten Videos war das „Sorry“ und der Ali Boulala Part war einfach leiwand. Das Video hat mich überhaupt sehr geprägt, denke ich. Aber generell hat da gerade dieser Piss-Drunx-Hype angefangen und damit bin ich aufgewachsen. Der war ja in Wien auch besonders groß. Ich freu mich schon darauf, wenn in ein paar Jahren der Trend wiederkommt. Aber sonst sind meine All Time Favourites eigentlich über die letzten zwanzig Jahre dieselben geblieben. Mein erstes Skatevideo war „Real To Reel“ und das ist bis heute für mich das perfekte Skatevideo. Das schau ich mir immer noch gern an und wünsch mir, ich hätte den Style und die Kickflips von Nate Jones. Der Gonz Part ist vielleicht mein Lieblings- Part ever. Aber All Time Favourite Style ist Julien Stranger. Beim Soundtrack tu ich mir schon schwerer. Eigentlich waren die ganzen Skatevideos damals auch von der Musik her so prägend. Eben wieder das „Sorry“: In dem Video hab ich zum ersten Mal bewusst Velvet Underground, Stooges und Bowie gehört. Oder Neil Young, Nirvana, Queen, Jefferson Airplane in „Dying to Live”. Der Soundtrack von “Mind Field” war auch ein Wahnsinn, aber das war später. Überhaupt war das schon eine Erfahrung damals, ein Full-Length-Skatevideo zu bekommen, weil natürlich das Skaten und die neuen Einflüsse so spannend waren, aber eben auch die Musik, die Grafiken und vielleicht sogar noch ein Booklet mit Fotos dazu. Das war schon was echt Beeindruckendes und hat mich immer fasziniert. Irgendwann hab ich auch das „Harvest“ und die Why-Videos in die Finger bekommen. Zu sehen, dass auch in Wien manche Leute so gut skaten, wie eben der Blacky, die Lugers, der Götz Philipp, Scheidl, Frido, Nöcki usw. und die ganzen Spots, die gar nicht weit weg waren, hat mich vielleicht auch nach Wien gezogen. Auch wenn ich die meisten Spots eh nie fahren hab können und nie auf dem Level wie die alle geskatet bin. Aber es war trotzdem nahbar und was anderes als die Möglichkeiten in Eisenstadt.
Ich kann mich auch noch an die ersten Videos eurer Crew [ICRC] erinnern. Darin finden sich natürlich auch einige Einflüsse von den oben genannten Videos. Ich war damals schwer beeindruckt. Was ist retrospektiv dein Lieblingsvideo? Mit welchem deiner eigenen Parts kannst du heute noch leben? Und welcher der Videos hat den besten Titel?
„Scheiss Hosen, geile Schweizer“ natürlich! Haha, aber das hab ich schon ewig nicht mehr gesehen. Auch all die anderen Parts eigentlich nicht. Wobei – ich glaub nicht, dass ich je einen ganzen Part zusammenbekommen hab, oder? Ehrlich gesagt hat mich das Filmen auch immer gestresst, weil ich entweder zu ungeduldig, oder meistens mit dem Ergebnis und meinem Skaten dann sowieso unzufrieden war. Oder mir von vornherein gedacht hab, dass das, was ich da mach, nicht gut genug ist, um gefilmt zu werden. Das ist zwar mittlerweile besser geworden, aber so wirklich funktioniert das Filmen für mich nur, wenn ich sowieso einen Trick probier und halt jemand dabei ist, der gerade filmt und nicht, wenn ich versuch einen Trick zu filmen.
Als du dann nach Wien gezogen bist hast du lange im 17. Bezirk gewohnt. Gefühlt 10 Jahre in der WG in der Gschwandnergasse. Dein Zimmer war immer voll mit Skatevideos und DVDs. Du hast damals auch viel selber gefilmt und mit Ben (Beofsich) die Melange Videos rausgebracht. Wie ist es dazu gekommen bzw. was war eure Philosophie damals?
Sechs Jahre war ich in der Gschwandnergasse. In Eisenstadt haben wir ja schon ein paar Videos mit irgendwelchen ausgeborgten Kameras gemacht und kurz bevor ich nach Wien bin, hab ich von meinem Vater eine VX1000 bekommen. Da hab ich dann den Ben kennengelernt und wir waren über Jahre quasi jeden Tag zusammen unterwegs. Er hat auch eine VX gehabt und dann haben wir eben angefangen, gemeinsam Videos zu machen. Die Partie von damals war super. Ich hab den Philipp (Schuster/Riedl) kennengelernt, kurz bevor ich in den 17ten gezogen bin. Mit ihm und dem Daniel (Spiegel) hat der Ben zu der Zeit glaube ich schon manchmal gefilmt. Gleich ums Eck hat dann der Erkinger Flo gewohnt. Wir sind oft aus der Halle gemeinsam mit der U6 heimgefahren und haben uns so kennengelernt. Der Ben hat dann die Melange Website aufgesetzt, um die Clips und Videos zu posten. Philipp hat davor schon das Trottoir Magazin gemacht und die Idee war eben, so wie er das Heft für seine Fotos macht, auch einen Platz und Namen für unsere Videos zu schaffen. Das muss so um 2009 gewesen sein. Damals gab’s halt noch kein Instagram wie heute und weniger Websites, die Videos gepostet haben. Es hätte eine Art Online-Video-Magazin für Wien sein sollen. Aber so viel hab ich dann eigentlich auch nicht gefilmt. Die langen Melange Videos hat hauptsächlich der Ben gefilmt und geschnitten und ich hab ein paar kurze Clips gemacht.
Jedes Mal, als ich euch in der WG besuchen war, lief entweder irgendein Skatevideo oder „Indien“ mit Josef Hader und Alfred Dorfer im TV. Wenn du schätzen müsstest, wie oft hast du „Indien“ gesehen?
Tausende Male! Haha, im Prinzip haben wir einen recht geregelten Alltag gehabt. Zu Mittag skaten gehen und am Abend kochen. Dann am Sofa essen und Skatevideos, „Kaisermühlen Blues“ oder eben „Indien“ schauen. Ich glaube, wir haben zwei Monate wirklich jeden Abend „wos aussebochn“ und „Indien“ geschaut. Wir haben sogar einen Frittier-Tumblr gehabt – „Thank god it’s fry-day“ und ich hab in den zwei Monaten acht Kilo zugenommen. Haha…
“EHRLICH GESAGT HAT MICH DAS FILMEN AUCH IMMER GESTRESST, WEIL ICH ENTWEDER ZU UNGEDULDIG WAR ODER MEISTENS MIT DEM ERGEBNIS UND MEINEM SKATEN DANN SOWIESO UNZUFRIEDEN WAR.”
Du warst immer sehr bedacht mit den Products, die du skatest. Was ist dein aktuelles Setup? Wer unterstützt dich zurzeit? Steckst du deine Skateschuhe immer noch in die Mikrowelle, bevor du sie skatest?
Ich hab leider viel zu viele Ticks, was mein Setup angeht. Ich fahr eigentlich immer dasselbe Shape. Ich fahr auch immer die gleichen Wheels und seit Jahren dieselben Kugellager, die mittlerweile nur noch scheppern. Meinen Achsen-Wahnsinn hab ich jetzt endlich gelöst hoffentlich. Hin und wieder bilde ich mir ein, was anderes ausprobieren zu müssen, und dann pack ich ́s nicht und schraub wieder das alte Setup zusammen. Aber alle paar Jahre verändert sich mal was. Also dass ich zum Beispiel vor ein paar Jahren 8.25er- Bretter gefahren bin und jetzt 8.5er. Bei meinem ersten Board hab ich Silverados dazubekommen und hab seitdem immer zwei silberne Schrauben vorne. Vor einer Weile hab ich mal als Scherz, weil ich mich oft unnötig ärgere, „NO FUN“ in schwarz auf mein Grip gesprüht und jetzt muss das immer drauf stehen. Bei den Achsen müssen auf der Wheel-Innenseite so viele Spacer wie möglich sein, damit sich die Achse so breit wie möglich anfühlt. So geht das dann weiter und weiter. Die Schuhe gebe ich nicht mehr in die Mikrowelle, um sie vor dem ersten Mal Skaten weicher zu machen. Ein paarmal kneten und in alle Richtungen biegen reicht. Nur schwarz, weiß oder grau müssen sie sein. Aber eigentlich schwarz und am besten auch immer wieder die gleichen Schuhe. Die ganzen Spinnereien haben einfach damit zu tun, dass ich genau weiß, wie sich mein Setup anfühlen soll und warum es manchmal nicht passt. Ich hab einfach viel weniger Zeit, um skaten zu gehen, und da hab ich keine Lust, dass ich einen schlechten Tag habe, nur weil irgendwas an meinem Setup nicht passt. Eine Ausrede weniger! Ich bin auch echt immer gut mit Stuff unterstützt worden. Da muss ich einigen Leuten danken: Dem Pauli und Chrisi vom Stil-Laden. Und dem Zottl, der hat mich damals glaub ich da aufgenommen. Dann beim Uwe, Thomas und allen beim Motion, von denen ich jahrelang Cliché-Boards und alles Mögliche bekommen hab. Das war überhaupt das Leiwandste damals – einfach ins Lager gehen und Brettln aussuchen! Bei Mosaic, über die ich HUF- Schuhe bekommen hab, bis die damit aufgehört haben. Auch bei Jan und John für die Killing-Floor-Brettln und natürlich Evy und Joseph von Carhartt.
Du warst früher viel unterwegs. Ich erinnere mich an gemeinsame Trips nach Barcelona oder Lyon! Ich weiß natürlich, wie das läuft, je älter man wird, desto weniger gehen sich solche Geschichten aus. Aber wenn dir deine Frau eine Woche frei geben würde, welche Destination würdest du für einen Skatetrip am liebsten ansteuern? Was war damals deine Lieblingsdestination bzw. dein Most Memorable Trip?
Hahaha – ich werd Marlies fragen, ob ich mir einmal eine Woche freinehmen darf! Aber das würd sie mir sicher „erlauben“. So viel war ich aber eigentlich nicht unterwegs, oder? Wir waren halt immer je ein-, zweimal pro Jahr in Barcelona und Prag. Unser Trip zu Pierre nach Paris ist mir noch gut in Erinnerung. Vor allem unser gescheiterter Versuch, am letzten Tag ein Peckerl zu kriegen. Du hast das dann ja noch nachgeholt, Reini. Aber ich hab’s immer noch nicht. Aber eigentlich bin ich lieber daheim als unterwegs. Weil nach dem zweiten Tag kann ich dann eh kaum mehr gehen und brauch dann eine Woche, bis ich wieder fit bin. Wenn ich daheim die Wahl hab zwischen Skaten oder Fotografieren, geh ich immer skaten, aber ich würd eher in irgendeine Stadt fahren und eine Woche herumspazieren und Fotos machen.
Vor ein paar Jahren hast du auch wieder zu fotografieren begonnen. Soweit ich weiß, zunächst mit einer Olympus Pen, einer sogenannten „Halbformat“-Kamera, wie auch dein gleichnamiger Instagram-Account. Erklär mal: Warum dieses spezielle Format? Warum Analog? Warum Schwarz-Weiß? Warum macht‘s wieder Spaß?
Kurz bevor Levi auf die Welt gekommen ist, hab ich mir eben diese Halbformat-Kamera gekauft. Ich glaube, ich bin auf Instagram über „Pen-o-ramas“ gestolpert. Dazu macht man einfach mehrere Fotos nacheinander und schwenkt dazwischen immer ein Stück nach rechts. Und weil es analog ist, ergibt sich am Film dann durch die aneinandergereihten Fotos ein Panoramabild. Zur selben Zeit hab ich ein paar Skatemagazine mit analogen Skatefotos gesehen. Mein Plan war dann, solche „Pen-o-ramas“ mit Skatefotos zu machen. Ich hab aber bis heute kein einziges gemacht. Dafür hab ich wieder gemerkt, wie sehr mir der Arbeitsprozess beim Analog-Schießen taugt. Also zum Beispiel nicht gleich das Ergebnis zu sehen, den Film mit den Negativen in der Hand zu haben und dann natürlich das Machen der Abzüge. in der Dunkelkammer. Das Ganze ist ein viel langsameres und bedachteres Arbeiten und für mich ein guter Ausgleich zur Arbeit. Also Arbeit im Sinne von „Erwerbstätigkeit“. Mit dem Schwarz-Weiß ist das so eine Sache. Ursprünglich war der Grund, dass Schwarz- Weiß-Filme einfacher in der Handhabung sind. Ich muss mit der Belichtung nicht ganz so genau sein und das Entwickeln und Abzüge machen ist unkomplizierter. Im Endeffekt schieße ich nur Farbe, wenn das Motiv die Farbe braucht und das ist bei dem, wie ich momentan fotografiere, so gut wie nie der Fall. Das kann sich aber natürlich irgendwann ändern. Bis jetzt fühlt sich Schwarz-Weiß mit viel Kontrast richtig an, aber das ist ein sich immer wiederholender Wechsel aus Produzieren und Reflektieren. Sich immer fragen, warum man genau so arbeitet und genau so fotografiert. Im Endeffekt lässt sich meine Vorliebe, so zu fotografieren, auch auf mein restliches Leben umlegen. Ich arbeite mit einer Kamera, die auf das absolute Minimum reduziert ist, verwende wenn möglich immer dasselbe Filmmaterial, Entwickler und so weiter. Das ist schon eine Parallele zu dem, was ich vorhin über mein Setup gesagt hab. Man ist immer verleitet zu glauben, dass mehr, oder etwas anderes als man hat, besser ist. Und da geht’s mir genauso. Dass es einem besser geht, wenn man das oder das noch hat. Oder man mit der nächsten Kamera plötzlich andere oder bessere Fotos macht, mit den anderen Achsen auf einmal besser skatet. Aber schlussendlich, und das hab ich auch durchs Fotografieren gelernt, geht es mir besser, je weniger ich habe. Vielleicht nicht in erster Linie weniger, sondern nur das, was ich brauche. Je weniger Auswahl ich habe und je mehr ich mir mein Leben durch Reduktion einfacher machen kann. Darum hab ich z.B. auch nur noch schwarzes Gewand – das kann ich alles auf einmal waschen und einfach irgendwas aus dem Kasten nehmen. Oder rasier meinen Kopf – das kann ich zwischendurch daheim selbst machen und muss mich nicht weiter drum kümmern. Oder fahr immer dasselbe Setup, weil’s halt passt. Bei manchen Dingen bin ich aber eh auch so ein Konsumopfer. Haha…
Mittlerweile fotografierst du weniger mit der „Halbformat“-Kamera, sondern auch viel mit deiner Leica, die das Standard-35mm- Format verwendet. Außerdem hast du dir im Hinterzimmer des Stil-Ladens ein kleines Büro mit Dunkelkammer eingerichtet. Was produzierst du in der Dunkelkammer? Wie ist dein Workflow? An was arbeitest du gerade?
In der Regel mach ich ganz klassisch erst mal einen Kontaktabzug vom ganzen Film, schaue was vielversprechend ausschaut und die Fotos werden dann vergrößert. Danach schaue ich, was zusammenpasst in eine Serie oder zu einem bestimmten Thema und mach vielleicht noch einen größeren Abzug. Da habe ich ein paar Themen, die mich beschäftigen und vielleicht mal zu einer Ausstellung oder einem Buch werden könnten, aber so weit bin ich noch lange nicht. Nach dem ersten Jahr Analog-Schießen hab ich ein Zine gemacht und war dann ur motiviert, noch mehr zu machen. Jetzt habe ich aber vier oder fünf quasi fertige Zines auf der Festplatte, die sich alle nicht anfühlen, als hätten sie Hand und Fuß. Im Großen und Ganzen habe ich eben ein paar Baustellen, die hoffentlich irgendwann auch mal ein Ende finden. Aber wenn, dann muss das Ergebnis halt wirklich passen. Im Moment interessiert mich die Präsentation von meinen Bildern. Vor allem, was ich vielleicht machen kann, außer die Fotos in einen Rahmen hinter Glas zu geben. Wie ich aus der Reproduktion, die so ein Abzug ist, ein Objekt machen kann und wie ich das alles selber gestalte, anstatt einfach einen Rahmen zu kaufen.
Hast du Leute oder eine Community um dich, die dich unterstützen oder dir bei Fragen weiterhelfen? Wie hast du dir all das Wissen angeeignet? Das klingt ja alles recht kompliziert mit diesen analogen Geräten und lichtempfindlichen Filmen und Papieren.
Im Wesentlichen drei Personen. Der Philipp Riedl (Schuster), von dem ich schon früher viel und auch jetzt noch immer wieder was übers Fotografieren lerne, Michael Ornauer und Jahan Saber sind die anderen zwei, mit denen ich mich austauschen kann und deren Meinung ich auch sehr schätze. Das rein Technische ist nicht wirklich kompliziert und man findet die ganzen Infos und Anleitungen eh online. So habe ich mir alles rausgesucht und dann ausprobiert. Das war beim ersten Mal Filmentwickeln ein bisschen ein Nervenkitzel. Ist es immernoch. Natürlich habe ich mal Filme beim Entwickeln ruiniert und alle möglichen anderen Fehler gemacht. Erst heute habe ich einen Film nicht richtig zurückgespult, bevor ich die Kamera aufgemacht habe, und deswegen ein paar Frames verloren. Aber das Schöne ist, dass ich ja niemandem Rechenschaft schuldig bin. Ich hab ́s eh schon gesagt – das ist auch ein guter Ausgleich zur Erwerbsarbeit. Da muss ich natürlich abliefern, wofür ich vom Kunden bezahlt werde. Aber so fragt niemand, warum genau dieses eine Foto verloren gegangen ist.
Wie geht sich das aus? Selbständiger Videograf, Familie mit 2 Kids, Fotografieren, Skateboardfahren. Das sind alles recht zeitaufwändige Dinge. Wie bekommst du alles unter einen Hut?
Gar nicht. Aber hauptsächlich, weil ich zu unorganisiert bin. Oft hab ich tausend Sachen im Kopf und möchte gleichzeitig alles machen und bin dadurch so frustriert, dass ich gar nix mach. Was dann nochmal frustrierend ist. Aber ich kann mich halt auch nicht zerreißen. Und ich muss sagen, dass Marlies mir da immer viel Freiraum schafft und mich bei allem enorm unterstützt. Und mich auch mal skaten schickt, wenn ich grantig bin. Natürlich würd ich manchmal gern einfach wie früher, ohne Verpflichtungen, zu Mittag rausgehen und einfach durch die Stadt skaten so lang ich will und wie es sich ergibt. Oder spontan raus gehen statt zu arbeiten, weil das Wetter grad passt und alle Zeit haben. Aber in Wahrheit reicht es mir mittlerweile ein-, zweimal die Woche ein bisserl skaten zu gehen. Und interessanterweise fühl ich mich dabei jetzt viel wohler am Brett als vor zehn Jahren, zu der Zeit, in der ich jeden Tag skaten war. Und ich glaub, dass ich auch viel „besser“ fahr als damals und mir mehr zutraue. Oder vielleicht einfach besser einschätzen kann, welche Tricks und Spots mir liegen und welche nicht. Wahrscheinlich hat auch geholfen, dass ich nicht mehr nur das Skaten hab, über das ich mich definiere. Beim Fotografieren muss ich mir zum Glück ja auch keinen Stress machen. Wie schon gesagt – das kann ich rein für mich machen. Und natürlich hab ich da auch Phasen, in denen ich alle meine Bilder schrecklich find und nicht weiter weiß. Aber das ist normal und gehört zu dem Schaffensprozess dazu. Und dann erwisch ich wieder ein gutes Foto und es geht wieder weiter. Außerdem bleiben mir hoffentlich noch ein paar Jahrzehnte Zeit dafür. Und Zeit für die Familie kann ich hoffentlich auch genug aufbringen. Da bin ich mit meinem Beruf und der Selbständigkeit zum Glück in der Lage, mir die Zeit meistens einteilen zu können. So dass ich auch unter der Woche oft den Nachmittag mit ihnen verbringen kann. Und weil wir keine so großen Ansprüche haben, muss ich nicht so viel Zeit mit Arbeit verbringen und kann stattdessen auch mehr daheim bei meiner Frau und den Kindern sein. Also eigentlich alles ganz gut, wie ́s is.
Wie viele Zähne hat der männliche Buckelwahl?
Das is eine Fangfrage! Der Buckelwahl hat gar keine Zähne, er isst nämlich nur Plankton.
Danke für das Gespräch Sebi!
3..2..1….Bussi