BLUTCAMP 1447

Text / Interview
Robert_Sartori

F O T O S
Jan_Federer
Stefan_Lind

Ich hasse habgierige Menschen. Das hat zwangsläufig absolut gar nichts mit diesem Artikel zu tun. In diesem Fragment geht es nämlich um den Zusammenschluss einer Gruppe volltrunkener Individuen, die zwei Jahre auf einem durchs All kreisenden Planeten damit verbracht haben, Skateboard-Tricks zu filmen. Obwohl das absolut lächerlich klingt, ist es wahr. Wenn ich mir jetzt das finale Endexemplar ansehe, bin ich stolz wie ein katholischer Priester, der mit einem Lächeln im Gesicht auf seine braven Firmlinge blickt. Gut gemacht Jungs.

Um  verstehen zu können, welche  qualvollen Prozesse der durchschnittliche Blutcamper beim Filmen eines unterdurchschnittlichen Parts durchläuft, habe ich die Aggregats-Zustände psychischen Zerfalls in vier Phasen untergliedert:

1. Expression psychischen Unbehagens

2.Multiple aneinandergekoppelte Agressionsausbrüche

3. Vernunft-Entfremdung

4. Akzeptanz geistiger Degeneration

Jede dieser Phasen bringt völlig unterschiedliche Verhaltensmuster mit sich, die in starkem Zusammenhang mit Bierkonsum und Spotbeschaffenheit stehen. Äußere Faktoren wie unbeteiligte Passanten und nervende Geräuschquellen wirken sich zusätzlich schädlich auf den Gemütszustand der Wut-geplagten Camper aus. Vor allem das Stadium der Vernunft-Entfremdung ist besonders kritisch, denn sie ist meistens nicht mit dem jeweiligen sozialen Umfeld kompatibel. Die finale Phase, die im Volksmund auch als Scheitern bekannt ist, lässt den Betroffenen in ein Stadium der existentiellen Sinnlosigkeit fallen, was im Normalfall nur mit berauschenden Substanzen kuriert werden kann. Danach wiederholt sich dieser Zyklus immer wieder in unregelmäßiger Abfolge. Vor allem die letzten Wochen vor der Premiere, konfrontierten fast alle Protagonisten mit ihren tiefsten inneren Dämonen. Wir konnten förmlich spüren, dass die Geduldsfäden dünner wurden. Eine grenzenlose, unkontrollierbare Wut schien zu unserem dauerhaften Begleiter zu werden. Jeder hatte seine eigene Methode mit dieser Situation umzugehen, manche lernten sogar die Wutausbrüche zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sicher ist, an diesem Video mitzuwirken, war eine sehr spezielle, teilweise grenzwertige Erfahrung. Zusammenfassend können wir stolz auf zwei ereignisreiche Jahre zurückblicken, die sicherlich nicht spurlos an uns vorbeigegangen sind. Christian Kager, aka StreetGap Kagls ist der designierte Blutcampfilmer, ein Allroundtalent mit dem Hang zur Perfektion. Seine uneingeschränkte Hingabe hat alle Beteiligten beeindruckt und zu Höchstleistungen motiviert. Ohne ihn würde es dieses Exkrement nicht geben. Seine Funktion als Filmer, Babysitter und Stimme der Vernunft hat ihn des Öfteren an den Rand des Wahnsinns geführt.

Insgesamt hat es zwei mehr oder weniger ambitionierte Jahre gedauert, das Blutcamp Video zu filmen. Was hat dich motiviert immer wieder die Kamera in die Hand zu nehmen und eine Gruppe nicht gerade einfacher Charaktere zu filmen?

Am meisten hat es mich motiviert meine Freunde zu pushen. Ich sehe mich schon als treibende Kraft. Ich meine ich bin ja um einiges älter als die ganzen Wachbirnen, wer soll die bitte sonst filmen? Außer mir macht das sicher keiner mit. Ansonsten war es immer cool wenn zur Abwechslung wer einen Trick gestanden ist, vor allem wenn wir öfter zu einem Spot gehen mussten. Alles in Allem bin ich natürlich auch stolz auf gewisse Resultate.

Du hast ja einen sehr eigenen Style beim Filmen. Welche Videos haben prägende Eindrücke bei dir hinterlassen? Was findest du generell wichtig, wenn du ein Video anschaust?

Am meisten taugen mir alte Skatevideos. Das erste Zoo York Mixtape hat mein Filmen sicherlich am meisten beeinflusst. Für mich ist es halt sehr wichtig das alles flüssig ist. Vor allem soll ein Part den Charakter des Skateboarders widerspiegeln, weil Skaten ist eh schon viel zu arg, also was solls.

Was ist deiner Meinung nach der größte Unterschied zwischen der Blutcamp-Crew und anderen Skatecrews, die auf den Straßen Wiens unterwegs sind? Was macht das Filmen mit uns besonders?

Gewisses exzessives Verhalten. Bei uns wird in jeder Hinsicht Gas gegeben. Jede Filmmission war eine gute Party. Wahrscheinlich hat es auch deswegen so lange gedauert, bis das Video fertig war, weil immer eine Pause notwendig war. Aber anders druckst das halt auch nicht, weil wir quasi immer, wenn wir heimgekommen sind, total fett waren. (Nikki Jale im Hintergrund: Sicher nicht erst wenn wir heimgekommen sind!)

Wut ist ein ziemlich zentrales Thema beim Blutcamp. Wie gehst du mit Scheitern um?

Naja, oft reichts mir halt. Gewisse Verhaltensweisen kann ich nicht auf Kommando abrufen, wenn man für Etwas brennt kann man sich nicht anders verhalten. Dann zuck ich halt aus, aber ist ja egal. Ein gewisser Ehrgeiz ist sicher auch dafür verantwortlich.

Du hast ja selbst auch einen Part im Video. Wie war es für dich von dem Rest der Crew gefilmt zu werden? Bist du mit dem Resultat zufrieden?

Das war sicher eher anstrengend als lustig. Manchmal muss man, während man zum Beispiel eine Line fährt, mehr darauf achten was der jeweilige Seppl, der einen gerade filmt, macht. Ein paar Leute stellen sich wirklich blöd an und das zehrt an den Nerven. Vor allem der VX 1000 habe ich viele verfilmte Clips zu verdanken, weil die Jungs einfach nicht checken, dass das Fisheye anders ist.

Was waren für dich die Höhepunkte in den zwei langen Jahren?

Wer uns kennt weiß, dass sich Eskalationen aneinander reihen und es deshalb sehr schwierig ist, einzelne Momente besonders hervorzuheben. Ich denke, der Höhepunkt war, dass wir irgendwie immer mit Allem davon gekommen sind. Ansonsten sind gemeinsame Reisen oder Wochenendausflüge jedes Mal ein Highlight.

Kannst du eine grobe Schätzung abgeben, wieviele Boards, auf bestialische Weise, für dieses Projekt zerstört wurden?

Wie? Insgesamt? Alle? Oder nur meine? 120 ist mal die Dunkelziffer. Alles in Allem locker über 250. Schau einmal da rüber, das sind alles halbe Boards. Genau kann das sicher keiner sagen.

Wer hat deiner Meinung nach die schlimmsten Wutanfälle?

Mit ziemlicher Sicherheit ich, weil ich alles anders sehe. Manche Sachen seh ich einfach nicht ein. Ich arbeite daran.

Sollte dieses Video von Minderjährigen gesehen werden?

Sicher nicht.